... aus der Literatur
 
Bergengrün:
Römisches Erinnerungsbuch
Die längliche Piazza Navona hat die Form bewahrt, die Kaiser Domitian diesem auf sein Geheiß angelegten Stadion gab. Drei Brunnen in der Längsachse gelegen, gliedern den herrlichen Platz. Der nördliche ist modern. Sein Schöpfer tat wohl, sich an einen überlieferten Formenschatz zu halten, so gefährlich dies sonst zu sein pflegt; etwas anderes ertrüge der Platz nicht. Der Südbrunnen, berühmt durch den ins doppelte Muschelhorn stoßenden Mohren, heiter, bewegt, scheinbar mühe- und absichtslos, verrät Berninis Hand. Und nun erst der große  Obeliskenbrunnen in der Mitte! Unerschöpflich an Arbeitskraft wie an glänzenden, mitunter sich selbst überschlagenden Einfällen, alle Künste einschließlich des Theaterwesens beherrschend und mit Leidenschaft übend, von Monarchen als ihresgleichen geehrt, so ist Lorenzo Bernini der königliche Künstler des barocken Rom gewesen. Was er auch trieb, alles hatte den Zug ins Große, und das nämliche läßt sich von Urban VIII. sagen, diesem Urbilde der willensmächtigen fürstlichen Barocknatur. Sein Günstling, Freund, Hausgenosse war Bernini und hat ihm zu Ehren die drei Bienen des Barberiniwappens in ganzen Schwärmen über römische Kirchen, Paläste, Brunnen flattern lassen. Von Urban stammt das Wort:" Es mag ein großes Glück für den Künstler sein, daß Barberini Papst geworden ist, aber es ist ein noch größeres für Barberini, daß Lorenzo während seines Pontifikats lebt"  (zurück...)
 
Jean Paul:
Titan (1803)
Das Ersteigen der Kuppel riet Gaspard einem regen- und wolkenlosen Tage aufzuheben, um die Welt-Königin Roma auf und von dem rechten Throne zu schauen; er schlug dafür sehr eifrig den Besuch des Pantheons vor, weil er es gern schnell hinter den Eindrücken der Peterskirche wollte folgen lassen. Sie gingen dahin. Wie einfach und groß tut sich die Halle auf! Acht gelbe Säulen tragen ihre Stirn, und majestätisch wie das Haupt des Homerischen Jupiters wölbt sich sein Tempel! Es ist die Rotonda oder das Pantheon. - '0 der Niedrigen,' (rief Albano) 'die uns neue Tempel geben wollen! Hebt die alten aus dem Schutte höher, so habt ihr genug gebauet.' - Sie traten hinein; da wölbte sich ein heiliges, einfaches, freies Weltgebäude mit seinen hinaufstrebenden Himmelsbogen um sie, ein Odeum der Sphärentöne, eine Welt in der Welt! - Und oben leuchtete die Augenhöhle des Lichts und des Himmels herab, und das ferne Flug-Gewölk schien die hohe Wölbung zu berühren, über die es wegschoß! - Und um sie her standen nichts als die Tempel-Träger, die Säulen! - Der Tempel aller Götter vertrug und verbarg die kleinlichen Altäre der spätem. Gaspard befragte Albano über sein Gefühl. Dieser zog die größere Peterskirche vor. Der Ritter billigte es und sagte, 'daß überall der Jüngling gleich den Völkern das Erhabene besser empfinde und leichter finde als das Schöne, und daß der Geist des Jünglings vom Starken zum Schönen reife, wie der Körper desselben vom Schönen zum Starken; indes zieh' er selber das Pantheon vor.' - 'Wie könnten auch Neuere' (sagte der Kunstrat Fraischdörfer) 'etwas bauen, außer einige Berninische Türmlein ?' - 'Dafür' (sagte der verletzte Land-Baumeister Dian, der den Kunstrat verachtete, weil dieser niemals eine gute Figur machte als in der ästhetischen Richterstube als Richter, nie in dem Ausstellungssaal als Maler) 'sind wir Neuem ohne Widerrede in der Kritik stärker, wenn wir auch in der Praxis samt und sonders Lumpe sind.' Bouverot merkte an: 'Die korinthischen Säulen könnten höher sein' Der Kunstrat sagte: 'er wisse doch nichts dieser schönen Halbkugel Ähnlicheres als eine viel kleinere, die er im Herkulanum in Asche ausgedrückt gefunden - vom Busen einer schönen Flüchtlingin' Der Ritter lachte, und Albano trat unwillig zur Fürstin. Sie fragte er um ihre Stimme über beide Tempel. 'Hier Sophokles, dort Shakespeare; aber den Sophokles fass' ich leichter', versetzte sie und blickt' ihm mit neuen Augen in das neue Angesicht. Denn die überirdische Erleuchtung durch das Zenith des Himmels - nicht durch einen dunstigen Horizont - verklärte ihr das schöne bewegte Gesicht des Jünglings; und sie setzte voraus, der Heiligenschein der Kuppel liebe auch ihre Gestalt. Da er ihr antwortete: 'Sehr gut! Aber in Shakespeare steckt auch Sophokles, aber in Sophokles nicht Shakespeare - und auf der Peterskirche steht Angelos Rotonda!' so ging plötzlich das hohe Gewölk, wie durch den Schlag einer Hand aus dem Äther, entzwei, und die entrückte Sonne schauete, wie das Auge der durch den alten Himmel ziehenden Venus, die sonst auch hier stand, aus hoher Tiefe mild herein - da füllte ein heiliger Glanz den Tempel und brannte auf dem Porphyr des Bodens, und Albano sah betroffen und entzückt umher und sagte mit leiser Stimme: 'Wie ist jetzt alles so verklärt an dieser heiligen Stelle! Raffaels Geist geht in der Mittagsstunde aus seinem Grabe, und alles, was sein Widerschein berührt, erglänzt göttlich!' Die Fürstin sah ihn zärtlich an, und er legte leicht seine Hand auf ihre und sagte wie überwältigt: 'Sophokles!' - (zurück...)
 
Bergengrün:
Römisches Erinnerungsbuch
... Der große Brunnenschöpfer Roms ist Lorenzo Bernini. Das ist kein Brunnen, das ist ein Brunnenpalais, die Residenz eines königlichen Wassgottes. Der Brunnen bildet die Seitenfaßade des Palazzo Poli, der doch nur seinetwegen da zu sein scheint. Auf Seetierchen und Muscheln, auf alle ziervollen Requisiten ist Verzicht getan. Oben von der säulentragenden Nische steht gebietend der Gott, und die Falten seines Gewandes gehen über in die steinernen Wogen, die ihn tragen. Unter sich hat er die beiden geflügelten Wasserpferde mit ihren halbmenschlichen Begleitern, eine geistreiche Abwandlung des Rossebändigermotivs. Wenn man will, kann man, auf die Dreiecksform der Gruppe gestützt, einen von zwei Wasserrossen gezogenen, von Neptun gelenkten Wagen erblicken, aber dem Element gemäß scheint alles zu flüßig, als daß man den Gedanken des Künstlers so körperhaft fixieren dürfte. Das Wasser quillt nicht aus Tiermäulern oder über Lippen, es bricht aus dem Gestein, und das gibt der Fontana Trevi ihren naturhaften Charakter. Das Wasser erscheint in seiner elementarischen Eigenschaft, und der graue, rauhe Fels hat den Vorrang vor dem geglätteten Marmor. (zurück)
 
Bergengrün:
Römisches Erinnerungsbuch
Errichtung und Auszierung von Brunnen ist eine alte römische Tradition. In der Kaiserzeit sind dreizehnhundertzweiundfünfzig öffentliche Brunnen gezählt worden. Kaum ein antiker Brunnen hat sich unverändert im Ganzen erhalten, wohl aber allerlei Brunnenschmuckwerk, wie die prachtvollen Tierköpfe, die jetzt den Brunnen im Hof der Diokletiansthermen umgeben. Vom Zierrat antiker Brunnen sind zahllose Motive in die spätere römische und gesamteuropäische Formensprache übergegangen, vereint mit Motiven, die aus den Wandmalereien antiker Baderäume übernommen wurden. Von daher stammen all diese Fischpaare mit den lustigen verschlungen Schwänzen, von daher die drolligen Seepferdchen, die sich an beiden Wagen des wasserspeienden Gottheitshauptes schmiegen, all dies neptunische Hofgesinde, dem die Jahre die dem Wasser ausgesetzten steinernen Unterkörper mit grünen Moosgewändern bekleideten, die Meereshalbgötter, die pausbackig auf Muschelhörnern blasen. Aus ihren Blasinstrumenten rint das Wasser, aber nicht das Wasser allein, sondern angemessenermaßen auch ein süßer, beglückender Klang, der des sanft rieselnden Elements...."Murmure suo fons canit vitae laudem. - Mit seinem Murmeln singt der Quell das Lob des Lebens."
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Im Tritonenbrunnen der Piazza Barberini hat Bernini mit den Gesetzen der Schwerkraft in Anmut und Kühnheit ein heiteres Fangballspiel getrieben. Wie auf seinem berühmtesten Brunnen, dem auf der Piazza Navona, vier Einzelteile weiter oben in ein einziges Stück zusammenwachsen, so bilden hier die Köpfe der vier Delphine das Postament. Auf den senkrecht erhobenen Schwänzen tragen sie die Muschelschalen, über den der sitzende Triton mit dem gerade aufgerichteten Oberkörper die schneckenhausähnlich gebildete Muschel erhebt. Wer das anschaut geht wohlgelaunt weiter.   
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Wilhelm Heinse
Ardinghello und die glücklichen Inseln (1787)
Auszug
 
Das größte Aufsehen hat der Laokoon gemacht, weil Plinius noch mitten unter allen den höchsten Meisterstücken der Kunst davon meldet, er sei ein Werk, allen andern der Malerei und Bildhauerkunst vorzuziehen und man bei dem Alles aus- und ab- und aufschreiber glauben durfte, dies sei nicht seine eigene Lieblingsmeinung, sondern die Stimme des damaligen römischen Publikums gewesen.
Einige voll von den Wundern des Phidias, Polyklet und Praxiteles, gingen so weit, dass sie mutmaßten, der Laokoon möchte aus dem Zeitalter des Geschichtsschreibers der Natur selbst und sein Lob ein gewöhnliches Gelehrtenkompliment sein; allein der Augenschein zeigt jedem Erfahrnen, dass die Gruppe aus der schönsten Blüte der Kunst stammt.
Sonderlinge wollten sie im Schwindel des Paradoxen, um vielleicht dem Vatikan wehe zu tun, jedoch gar zur bloßen Kopie machen, weil Plinius ferner sagt: die allervortrefflichsten Künstler hätten nach gemeinschaftlich gepflogenem Rate den Laokoon, Kinder und Drachen, alles aus einem Block Marmor verfertigt; und sie bestehen offenbar aus zwei Stücken, und wenn Agesander und seine Freunde nicht Zeit und Arbeit vergebens verschwenden wollten, aus mehreren, da der Sohn zur linken Seite sonst um einer Taschenspielerei willen unsinnige Mühe würde gekostet haben. Plinius sah vermutlich die Gruppe aus einem niedrigen Standpunkt, und die Fugen waren versteckt, wie sie bei dem rechten Sohne noch sind, wenn man nicht hinsteigt; und es war schon in den alten Zeiten Mode, dass die Aufseher den Ankommenden Märchen wie Religion vorschwatzten, und der Geschichtsschreiber der Natur hat in der Eile viel unglaublichre Fabeln sich aufbinden lassen, wenn er bei seiner Lebensart noch nicht recht ausgeschlafen hatte.
Es ist wohl eine zu handgreifliche moralische Unmöglichkeit, dass ein Künstler, der so hätte arbeiten können, einige der kräftigsten Jahre seines Lebens mit bloßem Nachmachen ohne weitern Zweck sollte verschwendet haben, und dass die Kopie, gerade wo das Original stand, durch ein Wunder vom Himmel gefallen, und das Original dafür verschwunden wäre, um sich bei Erörterung dieses silberstecherischen Verdachts länger zu verweilen.
Man hat bis jetzt das Lob des Plinius entweder für bloß übertrieben hingesagt gehalten und sich unter den verlornen höchsten Meisterstücken der ersten Künstler, vom Phidias an bis zum Lysipp ungleich vortrefflichre Bilder vorgestellt, oder die Dichter haben nur den schönen Ausdruck der Vaterliebe in der Gruppe angepriesen, und der große Haufe hat mit seinen Augen überhaupt keinen wahren Endzweck aus der Vorstellung holen können und gedacht: Es ist unglücklich genug für uns, dass Löwen und Schlangen in der Welt sind, warum soll man einen guten Mann mit seinen Kindern noch dazu in Marmor quälen sehen?
Es wär erfreulich, wenn man schon aus der Theorie der Kunst und den bloßen Nachrichten beweisen könnte, dass das Lob des Plinius gerecht sei, auch ohne den olympischen Jupiter vor sich zu haben.
Und gewiss, wem zuerst die Idee von der Gruppe des Laokoon in der Seele aufging, und wer in seinem Herzen, in seiner Hand Mut und Fertigkeit genug fühlte sie auszuführen, der war zum Bildhauer geboren, wie Sophokles zum Dichter. Der hohe Meister fand den herrlichsten Vorwurf zu seinem Kunstwerk in der griechischen Religion und umgriff damit Himmel und Erde. Lesen wir zuerst, was von seiner Geschichte aufgezeichnet steht im Hygin.
,,Laokoon", erzählt dieser, ,,war ein Sohn des Akötes, der Bruder des Anchises und Priester des Apollo. Da er wider dessen Willen heiratete und Kinder zeugte, und alsdenn das Los traf, dass er dem Neptun am Gestade opfern sollte, sandte Apollo bei der Gelegenheit von Tenedos her durch die Fluten des Meers zwei Drachen, damit sie seine Söhne Antiphas und Thymbräos umbrächten. Laokoon wollte denselben Hilfe leisten, wurde aber selbst umflochten und getötet. Welches die Phrygier deswegen geschehen zu sein glaubten, weil er einen Spieß in das trojanische Pferd warf"
Servius gibt jedoch die bessere Erklärung und sagt, es sei deswegen geschehen, weil er seine Frau aus Unenthaltsamkeit im Tempel des Apollo beschlafen habe ...
Das Ganze vom Laokoon zeigt einen Menschen, der gestraft wird, und den endlich der Arm göttlicher Gerechtigkeit erreicht hat; er sinkt in die Nacht des Todes unter dem schrecklichen Gerichte, und um seine Lippen herum liegt noch Erkenntnis seiner Sünden. Über dem rechten Auge und dem weggezuckten Blick aus beiden ist der höchste Ausdruck des Schmerzens. Sein ganzer Körper zittert und bebt und brennt schwellend unter dem folternden, tötenden Gifte, das wie ein Quell sich verbreitet.
Seine Gesichtsbildung mit dem schönen, gekräuselten Barte ist völlig griechisch und aus dem täglichen Umgange von einem tiefschauenden Menschen weggefühlt und drückt einen gescheiten Mann aus, der wenig ander Gesetz als seinen Vorteil und sein Vergnügen achtet, und der dazu den besten Stand in der bürgerlichen Gesellschaft gewählt hat, voll Kraft und Stärke des Leibes und der Seele. Die zwei Buben werden mit umgebracht, als Sprossen vom alten Stamme; das ganze Geschlecht von ihm wird vertilgt.
Es leidet ein mächtiger Feind und Rebell der Gesellschaft und der Götter; und man schaudert mit einem frohen Weh bei dem fürchterlichen Untergange des herrlichen Verbrechers.
Die Schlangen vollziehen den Befehl des Obern feierlich und naturgroß in ihrer Art, wie Erdbeben die Länder verwüsten. Das Fleisch ist wunderbar lebendig und schön; alle Muskeln gehn aus dem Innern hervor wie Wogen im Meere bei einem Sturm. Er hat ausgeschrien und ist im Begriffe, wieder Atem zu holen. Der rechte Sohn ist hin, der linke wird derweile festgehalten, und die Drachen werden bald hernach mit ihm vollends kurzen Prozeß machen.
Selbst die Schamteile des Alten richten sich empor von der allgemeinen Anspannung, Hodensack und Glied zusammengezogen, und Hand und Fuß ist im Krampfe . Die linke Seite mag wohl zum Höchsten gehören, was die Kunst je hervorgebracht hat.
Die Söhne haben gerade so viel Ausdruck, als ihnen gebührt. Der eine ist im Sterben wie tot schon, und der andre leidet noch nicht an Gift und Wunde und entsetzt sich bloß. Der Vater zieht alle Aufmerksamkeit auf sich
Man mochte die Gruppe in den Zeiten, für welche sie bestimmt war, betrachten wie man wollte, so musste sie die stärkste Wirkung hervorbringen, entweder als Naturtrauerspiel für das ganze menschliche Geschlecht ein Vater, der bei Rettung seiner Kinder umkömmt oder als Strafe der Götter. Und als Kunstwerk konnt ihr kein anders den Rang der ersten Klasse streitig machen. Für uns bleibt sie Naturtrauerspiel, und die Kreatur seufzt dabei im Innern über die notwendigen. Leiden auch des Guten und Gerechten und schaudert in ihr Unvermögen, ihre Unwissenheit zurück.

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